Stadt Idar-Oberstein Haushaltsrede 2012
Fraktion stimmt Haushalt n i c h t zu
Haushaltsrede 2012_Die Linke_Bernhard Bohnsack
Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, Herr Bürgermeister, Beigeordnete, Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrte Gäste.
Das Vortragen der Haushaltsrede ist eine wichtige Tradition und soll sozusagen die Generalabrechnung der verschiedenen Fraktionen darstellen. Das Haushaltsjahr 2012 steht für die Ausgabenkürzungen und Abgabenerhöhungen die sich durch den Kommunalen Entschuldungsfond fast zwangsläufig ergeben.
Meine Rede steht darum unter der Prämisse: In der Kürze liegt die Würze.
Das wir wieder einen weiteren Sparhaushalt vor uns liegen haben meine Vorredner mit der Vorlage ihrer Zahlenbeispiele ausreichend dargelegt.
Ich möchte den anwesenden Damen und Herren ersparen diese Liste der Grausamkeiten zu wiederholen und stattdessen die Sichtweise meiner Partei darlegen.
Erfreulich ist aus der Sicht der Linken allein die Tatsache zu nennen das die Verwaltung der Stadt noch ihre Pflichtaufgaben erfüllen kann und es dabei auch noch geschafft hat das Haushaltsdefizit aus dem Vorjahr zu senken.
Die Feststellung das die mangelnde finanzielle Ausstattung der Kommunen vor Ort deren Leistungsgrenze erreicht haben als hinreichend bekannt vorausgesetzt werden. Dies werde ich im Laufe dieser Rede auch erläutern.
Der Rat der Stadt Idar-Oberstein und die Stadtverwaltung haben die Anregungen des Konsolidierungsausschusses aufgenommen und weitgehend umgesetzt.
Viele Vorhaben der Stadt mussten jedoch zurückgestellt werden, Stichwort: Kombibad
Die Teilnahme am Entschuldungsfonds bewirkt, dass die Stadt das geplante Schwimmbad nicht bauen kann.
Ich kann sagen: „Der unzureichende Finanzausgleich aus Bund und Land der von der Linken als verfassungswidrig erachtet wird lässt unsere Stadt verarmen und macht sie unattraktiv“.
An dieser prekären Situation sind wir selbst geehrte Mitglieder und Mitgliederlinnen in den Gremien der Stadt nicht unbeteiligt. Ich rufe noch mal die Rede der FL ins Gedächtnis. (spontaneZwischenbemerkung)
Die Entscheidungsphase für den Schwimmbadbau war einfach zu groß. Der kommunale Druck auf die Landesregierung war zu klein.
Für Gering- und Normalverdiener geht damit ein weiteres Stück Lebensqualität verloren.
Einige Projekte werden den Wünschen unserer Bürger und Bürgerinnen Rechnung tragen. Stichwort: Stadtplanung und Entwicklung.
Bei einzelnen Planungsvorlagen von Vereinen sehe ich noch erheblichen Konfliktstoff.
So zum Beispiel die Überdachungspläne rund ums Obersteiner Schloss. Die Stadt als offizieller Eigentümer muss sich hier letztlich entscheiden wie die Schlosszukunft aussehen soll und ob der Bürgerwille geachtet wird. Mit der Vorlage von mehreren Planungsentwürfen verschiedener Architekten sprich einem fairen Planungsentwurfwettbewerb, wäre das schon mal ein guter Schritt in Richtung Bürgerbeteiligung.
Auch wenn es jetzt so aussieht das bei der vorliegenden 1. Glasbetonvorlage zuerst mal keine Kosten auf die Stadt zukämen werden in der Zukunft Instandsetzungskosten, Reparaturkosten sog. Folgekosten fällig sein und dann für eine Überdachung die in jetziger Gestaltung nur wenige Obersteiner Bürger wollen.
Unsere Kritik richtet sich deshalb nicht an die Stadtverwaltung sondern, an die eigentlichen Verursacher der Kommunalen Finanzkrise. Dazu von mir ein paar notwendige Einlassungen.
Die Schuldenpolitik:
Die öffentlichen Schulden sind inzwischen auf die Rekordmarke von über 2,5 Billionen Euro gestiegen, das ist laut Aussagen aus dem statistischen Bundesamt die höchste Verschuldung seit dem Bestehen Deutschlands.
Die Schulden der Gemeinden und Gemeindeverbände stiegen auf über 129 Milliarden Euro, dabei sind die Schulden der kommunalen Zweckverbände und der gesetzlichen Sozialversicherungen nicht eingerechnet.
Die Weichen in die Schuldenpolitik werden in Berlin gestellt. 10% der Summe die für die Sanierung der Banken ausgegeben worden ist hätte gereicht um die Schulden der Kommunen fast auf Null zu setzen.
So genannte großzügige Investitionszuschüsse von 90% reichen zum Teil immer noch nicht aus, weil die Schwächsten der Schwachen schon gar nicht mehr in der Lage sind den Eigenanteil stemmen zu können.
Die kommunale Finanzlage ist katastrophal, und meine Fraktion hält den sogenannten Finanzausgleich für verfassungswidrig, wir haben daher auch schon im Stadtrat angeregt dem Vorgehen anderer Städte und Kommunen zu folgen und Klage zu erheben. Inzwischen hat das Oberverwaltungsgericht geurteilt, dass der bisherige Finanzausgleich des Landes verfassungswidrig sei.
Jetzt liegen die Klagen beim Verfassungsgerichtshof bis zu einer rechtsgültigen Entscheidung kann noch viel Zeit ins Land gehen
. Die Ursachen der kommunalen Verschuldung sind vielfältig Gemeinden, Städte und Kreise müssen sich immer mehr verschulden, weil ihnen Bundes und Landesgesetze immer mehr Pflichtaufgaben auflasten.
Was unsere Stadt mittelfristig in den Ruin treibt sind nicht unbedingt die wachsenden Aufgaben sondern das ausbleibende Geld das ihr laut Landesverfassung zusteht.
Auf die Beschwerden der Städte und Kreise reagiert das Land reflexartig abweisend. Es wird pauschal empfohlen die freiwilligen Ausgaben zu reduzieren oder sich Geld über die Erhöhung von Umlagen zu besorgen.
Im Lande sieht es derzeit so aus, das von 62 Kommunen nur noch vier ihren Haushalt ausgleichen können.
Was bleibt ist der erzwungene Schritt in die KEF, nicht der Tritt in die Kefft, also in den Allerwertesten, wie es viele Obersteiner Bürger lieber formulieren möchten, ... sondern in den kommunalen Entschuldungsfond.
Alle Kommunen sind sich zwar einig das dieser Fond das Grundproblem nicht löst. Es werden zwar einige Altlasten abgetragen aber keine Zukunftsperspektiven eröffnet. Für uns ist daher der KEF die Fortsetzung der alten, neo-liberalen Politik im Gewand einer angeblichen Hilfe der Landesregierung für die notleidenden Kommunen. Der Fond gibt vor zu helfen, aber beim genauen Nachsehen, kann man unschwer erkennen, dass einige Kommunen ihre Liquiditätskredite gar nicht abbauen können und nach der Laufzeit des KEF mehr Liquiditätskredite haben und auch in Zukunft brauchen werden.
Man kann es also so ausdrücken wie ich es vor einigen Wochen in der Zeitung gelesen habe: Der kommunale Finanzausgleich ist im Eimer.
Allein die Tatsache das die Ausgaben für Pflichtaufgaben in zwanzig Jahren um 325 Prozent gestiegen sind während das Land im selben Zeitraum seine Zuschüsse nur um lächerliche 27 angehoben hat macht die Dimensionen deutlich in denen wir wirtschaften müssen.
Alle Forderungen nach einer besseren Finanzausstattung der Kommunen werden ignoriert im besten Fall mit einem Schulter zucken zu Kenntnis genommen.
Meine Frage lautet zum wiederholten Male: „Wie lange können wir uns ein solches Finanzsystem noch leisten?“ Wo bleibt das Konnexitätsprinzip?
Das ist die verfassungsrechtliche und finanzwissenschaftliche Regel nach der die Kosten für die Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe von demjenigen zu tragen sind, der über die Art und Intensität der Aufgabenerfüllung entscheidet.
Als Kommunalpolitiker der Linken zitiere ich die uns wahrlich nicht zugeneigte Landtagsabgeordnete der CDU, Julia Klöckner. „ Die Finanzmasse der kommunalen Familie stimmt nicht mehr ... es muss mehr Geld ins System der kommunalen Familie gepumpt werden.“
Dieser Satz wird mir in zukünftigen Diskussionen wohlklingend im Ohr bleiben. Ich erinnere mich auch lächelnd an die vielfältigen Anregungen und Vorschläge meiner Partei die als Plagiate in anderen Fraktionen gerne verwendet werden.
Für uns ist der Entschuldungsfond ein Zeichen für das prinzipielle Unverständnis der Landesregierung oder ihr grundsätzliches Missverständnis was es eigentlich heißt sozial zu wirtschaften.
Dazu ein paar zusätzliche Zahlen aus dem Kreis um aufzuzeigen das die desolate Finanzsituation in Idar-Oberstein fast die Regel ist. Der Kreis Birkenfeld rechnet bei den Kindertagesstätten mit einem Fehlbetrag von 4,8 Millionen Euro das ist ein weiterer Anstieg von 760 000 Euro Der Kreis verbucht für das Haushaltsjahr 2012 mit einem Kassenkredit von 98 Millionen Euro allein 15,7 Millionen Euro für den Bereich Jugendhilfe.
Der Grund: Immer mehr Kinder und Jugendliche müssen stationär betreut werden. Die Zuschüsse vom Land sind unzureichend. Der Kreis Birkenfeld zahlt an Unterbringungskosten an ALG II Leistungsempfänger 11,5 Millionen Euro aber nur 6 Millionen Euro werden ihm vom Land erstattet. Beim Bereich Behindertenhilfe bleibt der Kreis mit einem Minus von 9,5 Millionen auf Kosten hängen die nicht gegenfinanziert bzw. ausgeglichen werden können.
Die Kultureinrichtungen und Vereine in Idar-Oberstein stöhnen über die nachlassenden Leistungen der Stadt und befürchten mit Recht das mittelfristige Aus, weil die Begleichung der laufenden Kosten und Aufwendungen durch sinkende Mitgliederzahlen bei gleichzeitiger Erhöhung der Mitgliederbeiträge nicht mehr möglich ist Kommunale Leistungen, ob Pflicht oder freiwillig, dürfen nicht ausschließlich nach betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten bewertet werden. Freibäder, Bibliotheken, öffentliche Räume wie Grillplätze, Sportplätze, Spielplätze und kulturelle Angebote sind ein Indikator für die Lebendigkeit einer Kommune. Das durch die rot/grüne Landesregierung verordnete Streichkonzert führt zum Verlust von Lebensqualität der Menschen und trifft in besonderem Maße und viel härter, die sozial benachteiligten und schlechter gestellten Bürger und Bürgerinnen in Idar-Oberstein.
Städte denen das Wasser bis zum Halse steht wehren sich deswegen zunehmend gegen die Unvermeidlichkeit des Schuldenfalles ob mit oder ohne KEF. Die meisten Städte in Rheinland-Pfalz verhalten sich bislang noch abwartend und schauen wie ein hypnotisiertes Kaninchen auf die ADD als Genehmigungsbehörde für die nächsten Spar-Haushalte.
Der Landes-Rechnungshof hat in seinem jüngsten Jahresbericht bereits vor dem „Verlust der Handlungsfähigkeit“ der Kommunen gewarnt. Durch den neuen Fonds können sie allenfalls eine Teilentlastung erreichen. Denn selbst bei optimalem Verlaufwerden bei dem den Kommunen zwei Drittel aller Liquiditätskredite von den Schultern genommen wird, mit denen sie sich (und ihre Haushalte) bis Ende 2026 belastet haben nicht helfen ihre Altlasten zu reduzieren
Ich wiederhole: Mit dem Entschuldungsfonds können nicht einmal alle Kassenkredite abgebaut werden, die für das laufende Geschäft nötig sind.
Diese finanziellen Verpflichtungen sind in etwa mit dem Überziehungskredit eines privaten Girokontos vergleichbar.
Der Rechnungshof hält die Kassenkredite für brandgefährlich, weil sie laut seiner jüngsten Expertise bereits über der Investitionsverschuldung liegen.
Mit anderen Worten: Die Kommunen machen keine Schulden, um für die Zukunft vorzusorgen. Sie machen Schulden, weil sie sonst tagtäglich nicht mehr über die Runden kommen.
Doch selbst wenn hier Linderung in Sicht ist, bleiben enorme Lasten. Denn der Abbau der Altschulden ist beim Entschuldungsfonds erst gar nicht geplant. Dieses Kaputt-Sparen muss ein Ende haben! Wir fordern von Land und Bund hier und heute noch einmal ein sehr deutliches Signal, wir wollen eine Abkehr von immer neuen Belastungen die getarnt durch den kommunalen Entschuldungsfond die Städte und Gemeinden, Bürger und Bürgerinnen immer mehr ihrer Investitionsmöglichkeiten beraubt.
Dieser Entschuldungsfond wird uns die kommunale Selbstverwaltung kosten.
Meine Damen und Herren anwesende Gäste, ich komme zum Schluss. Im Rahmen der Haushaltskonsolidierung hat sich die Linke in Idar-Oberstein an vielen schmerzlichen Einsparungen, Satzungsänderungen, Gebührenerhöhungen beteiligt. Sie hat sich als verantwortungsvolle, sachliche, zukunftsfähige und an den finanziellen Fakten orientierte Partei erwiesen. Die Gründe unserer Schulden liegt nicht in den von anderen Parteien schon genannten Zahlen oder in der Arbeit der Stadtverwaltung und ihren Gremien.
Eine ehrliche und folgerichtige Antwort zu dem vorgestellten Haushalt liegt in unserer generellen Ablehnung eines unsozialen und bürgerfeindlichem Haushaltes, der in dieser Form nur durch die „wie wir meinen“ (spontane Zwischenbemerkung) verfassungswidrigen Handlungsweisen und Nötigungen durch Bund, Land und ADD zwangsläufig zustande kommt.
Aus diesem genannten Grund werden wir dem vorgestellten Haushalt nicht zustimmen. Ich danke ihnen für ihre Geduld und Aufmerksamkeit.